Sonntag, 9. März 2008

Dotcom


Bei LoliondoDotcom, das ist sein Spitzname. Das Resultat einer Neckerei am Lagerfeuer auf einer der Safaris, die er als Koch und Mädchen für alles begleitete. Er hat auch einen Massai-Namen und einen, den sich Touristen leichter merken können: Steven. Für Judith, die mich auf diese Safari mitgenommen hat, Edward, den Journalisten der Arusha Times und Mr. John, unseren Fahrer, ist er aber nur Dotcom.
Dotcom mit WindhoseDotcom, das ist die zweite Hälfte von sexymassai.com. Es könnte seine Website sein - der Name ist Programm. Aber eigentlich braucht Dotcom keine Website, wenn er weibliche Gesellschaft sucht. Er weiß, wie es geht. Und er macht kein Geheimnis daraus. Er ist Massai und Massai sind gerade heraus, sagt er, nicht hinten herum. Er beherrscht die Kunst der kleinen Aufmerksamkeiten, der dezenten Berührungen zur rechten Zeit, wie zufällig.
Camp neben Massai-Boma, bei LoliondoEr hat Charme, und er ist jung. Er will leben, Spaß haben. Auf einer Safari alle mit Essen zu versorgen, Zelte aufbauen, Esel beladen - das macht er gern und auch gut. Aber seine Energie braucht ein Ventil. Wenn wir unsere Zelte nicht gerade mitten in der Wildnis aufgebaut haben sondern in einem festen Camp schlafen, sucht Dotcom die Nähe von Kollegen und anderen Fahrern. Sie trinken Bier, führen Männergespräche. Und wo Fahrer sind, da sind auch Dikidiks, ‘Weiber’, Frauen, die mit Männern mitgehen. Es geht diskret zu. Da ist nichts hell, grell, schillernd. Nur wenn man weiß, wo und wie sich Angebot und Nachfrage treffen, kann man erkennen, wie es funktioniert. Ein paar Mal auf unserer 9-tägigen Safari reimen wir beiden Frauen uns am nächsten Tag zusammen, was ohnehin nicht zu übersehen ist. Dass für Dotcom der Abend noch lange nicht zu Ende war, als wir ihm eine gute Nacht wünschten. Dann kommt er am Morgen schwer in die Gänge, ist schweigsam und schläft auf der Fahrt dauernd ein, trotz der rumpeligen Sandpisten, hier im Norden Tansanias. Aber er erholt sich schnell und bald ist er wieder der Alte, er ist flink und aufmerksam und es fallen ihm Sprüche ein, die alle zum Lachen bringen. Er kümmert sich um das Gepäck auf dem Dach des Landrovers, weiß, wo man mitten im Nirgendwo Kerosin und Holzkohle kaufen kann. Und nebenbei seine ganz persönlichen Erledigungen: Er verkauft seine guten Schuhe, verteilt unsere Essensreste. Hier lässt man nichts verkommen.
Das Land ist dünn besiedelt. Kleine Dörfer, weit auseinander liegend, ab und zu sieht man Bomas, die traditionellen Wohnformen der Massai, bestehend aus einigen Lehmhütten und Viehkoppeln, umgeben von natürlichen Zäunen aus Dornengestrüpp. Dies ist sein Land, dies sind seine Leute. In den Tagen, die wir mit ‘unserer’ Massai-Familie verbringen, ist Dotcom neben Mr. John Übersetzer, Vermittler, Erlediger, Erklärer. Dotcom ist da, wenn wir ihn brauchen; er sorgt gut für alle, besonders für seine beiden weißen ‘Mamas’.

Am Lake NatronWieder zurück in Arusha ist Dotcom einen Tag lang mein persönlicher Begleiter. Und in dieser Welt der Autos, Banken, Airline-Büros, Cafés und Reiseagenturen ist er nicht weniger geschickt als in der Savanne, im afrikanischen Busch. Er geht mit mir einkaufen, zeigt mir das Internetcafé mit den modernsten PCs und der schnellsten Verbindung. Damit mir beim Überqueren der Straße auch ja nichts passiert, nimmt er mich bei der Hand. Und auch hier werden nebenbei persönliche Angelegenheiten erledigt. An jeder Ecke begrüßt er Bekannte, auf dem Markt stellt er mir den Mann vor, der ihm das Kochen beigebracht hat, er lässt sich die Haare schneiden. Er kauft sich neue Schuhe und ein Handy. Ich ihm eine Bratpfanne und einen Schneebesen. Obwohl ich fest glaube, dass er diese Utensilien wieder verkaufen wird, sobald die Geschäfte schlechter laufen und er Geld braucht - für Bier und Frauen. Dotcom, ein Schlawiner, ein Halodri, ein Charmeur. Lebenslust pur.

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