Mittwoch, 20. Februar 2008

Dzao

But you said 'maybe later'
Ich mag Motorradtaxis. Man ist an der frischen Luft, kommt schnell vorwärts und fährt im Notfall jedem Stau davon. Die Fahrer sind meistens nett und wenn man sie bittet langsam zu fahren, tun sie das in der Regel auch. In Sapa sind sie überall, aber vor allem dort, wo sich Touristen aufhalten. Mein Fahrer kümmert sich um seine Kundschaft. Er verpasst mir einen Helm - was hier nicht selbstverständlich ist - bevor er mich in ein ca. 15 km nördlich von Sapa gelegenes Dzao-Dorf fährt, durch die schönste nordvietnamesische Berglandschaft. Viel weiß ich nicht über diese ethnische Minderheit, lediglich das, was ich mir im Lonley Planet angelesen habe: Dzaos leben in den Grenzgebieten von Vietnam, China und Laos, betreiben Ahnenkult, kennen sich in Naturmedizin aus, sind bunt gekleidet und die Frauen sind geschickte Handarbeiterinnen. Als das Dorf vor uns auftaucht bin ich beruhigt. Tatsächlich, es ist ein echtes Dorf, in dem echte Dzaos leben, und ich habe keine für Touristen aufgehübschte Ansammlung von dekorativem Elend vor mir. Beim Absteigen vom Motorrad umringen mich acht oder zehn Frauen. Hübsch sind sie, mit roten Kopfbedeckungen und bunten, selbst genähten und bestickten Kleidern. Einige tragen ihr Jüngstes in einem Tuch auf dem Rücken. Sie lachen mich an und es beginnt eine freundliche Kontaktaufnahme. Na ja, ich kam ja hierher um Menschen in ihrer angestammten Umgebung zu treffen. Aber eigentlich sind mir Situationen wie diese zu nah, zu intim. Keine Zeit zu schauen, die Atmosphäre des Ortes zu spüren, bevor man mit jemandem spricht. Es bleibt mir gar nichts anderes übrig, ich muss sofort reagieren. Ich bin hier ein Besucher und das ist es, was man von mir erwartet. Ich habe gerade noch Zeit, mit meinem Fahrer zu vereinbaren, wo und wann wir uns wieder treffen, und schon setzen sich die Frauen mit mir in Bewegung. Die eine oder andere rückt ihre Tasche mit den Handarbeiten in mein Blickfeld, mit einem Lächeln. Je weiter ich mich vom Dorfkern entferne, desto weniger Frauen begleiten mich. Zum Schluss sind es noch drei, die mit mir den dreißigminütigen Weg bis zur Höhle gehen. Zwei von ihnen sprechen ein bisschen Englisch. Sie zeigen mir die Häuser, in denen sie wohnen. Ich frage nach ihren Familien, was sie hier anbauen und wovon sie hauptsächlich leben. Sie strahlen Herzenswärme und gute Laune aus. Ich mag diese Frauen, einen Spaziergang lang sind wir Freundinnen. Wir gehen zurück. Ca. 500 m vor dem Treffpunkt gabelt mich mein Fahrer auf, gerade als die Frauen ihre Handarbeiten vor mir ausbreiten. Der Abschied geht nun ganz schnell. Ich merke, dass der Fahrer mir einen Gefallen tun und mich aus der Rolle der potentiellen Käuferin befreien möchte. Eine der Frauen, die Hübscheste, sagt enttäuscht 'But you said "maybe later"'. Ich hebe bedauernd die Schultern und sage ihr, dass ihre Handarbeiten wirklich schön sind, aber mein Rucksack schon voll ist. Solche Situationen kennt jeder Traveller. Sie sind typisch. Aber diesmal lässt mich dies nicht kalt. Noch viel später habe ich die sanfte, enttäuschte Stimme dieser Dzao-Frau im Ohr. Sie haben hier nicht viel, das konnte ich am Zustand des Dorfes erkennen. Vielleicht hätte ich ihr doch eine Umhängetasche abkaufen sollen. Schließlich sind sie auf diesen kleinen, bescheidenen Handel mit den Touristen angewiesen. Dies ermöglicht ihnen das Überleben, auch das der eigenen Kultur. Zu spät. Eine kalte Hand hat sich auf mein Herz gelegt, als ich mit meinem Motorradfahrer wieder zurück nach Sapa fahre.

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