Sonntag, 27. Januar 2008

Verschollen

Weiße und Schwarze Wüste
Endlich da. Einfach ist es nicht, hierher zu kommen, nach Bahariya. Fremden ist es in Ägypten nicht immer vergönnt, den kürzesten Weg von A nach B zu nehmen. Die Besucherströme werden in bestimmte Bahnen gelenkt, der Sicherheit wegen. Und die allgegenwärtige Touristenpolizei passt auf, dass sich auch jeder daran hält. Nach einem erzwungenen Umweg, der mich eine zusätzliche Nachtfahrt kostet, komme ich schließlich an mein Ziel. Ich quartiere mich in Bahdis Wüstencamp ein. Kreuz und quer stehende, weiß getünchte Häuschen, ein kleiner, freundlicher Garten, drum herum eine hohe Mauer. Nett ist es hier. Auch Bahdi, der Besitzer, ist nett. Er ist nicht mehr jung, aber so genau kann man das nicht sagen. Die Wüste macht alt. Er trägt ein langes, weites Gewand und hat ein Tuch um den Kopf gebunden. Aber da ist noch etwas anderes, etwas, das ihn unterscheidet. Vielleicht sind es die Augen. Es sind Augen, die verwandeln. Wenn diese Augen jemanden ansehen, wird dieser zum besseren Menschen. Auch mich hat Bahdi verwandelt, und dazu hat er nur ein paar Stunden gebraucht.

Egoistisch, wie Touristen nun einmal sind, will ich am zweiten Tag endlich Nägel mit Köpfen machen und für den nächsten Tag Fahrer, Auto und ein paar andere Touristen finden, für eine gemeinsame Tour in die Weiße Wüste. Dafür bin ich schließlich hergekommen. Und wenn Bahdi das nicht auf die Reihe kriegt, dann organisiere ich mir eben selbst eine Tour.
Normalerweise sagt man hier, wo man hingeht. Ich kündige also an, dass ich einen Morgenspaziergang zum Englischen Haus machen werde, einer Steinruine aus dem Zweiten Weltkrieg. Das tue ich auch. Aber dann will ich Bahdis Fürsorge entwischen und schlage einen Haken. Ich gehe in den Ort, auf der Suche nach Anschluss. Den finde ich schließlich. Mit ein paar anderen Touristen fahre ich zu einem anderen, viel größeren Camp. Nach einem ausgiebigen Plausch mit dem dortigen Besitzer, der ein Faible für Deutsche hat - er hat spezielle Erinnerungen an eine Frau, die er vor 15 Jahren kannte - kommt die Tour für den nächsten Tag zustande. Aber was macht man mit dem Rest des Tages? Eine kleine Fahrt durch die Oase und um sie herum, zusammen mit meinen neuen Freunden. Bestens gelaunt sehen wir uns den Palmenhain und die heißen Quellen an. Bei einem Spaziergang auf den Dünen passiert dann etwas Unerwartetes. Die Luft steht still, die Sonne ist plötzlich weg und wir laufen im Zwielicht. Der Horizont wird gelbgrün und giftig. Ein Sandsturm ist im Anzug. In weniger als zehn Minuten hat er uns erreicht. Wir finden es klasse, uns gegen den Wind zu stemmen und die Dünen von einem zum anderen Moment wie durch Spinnweben zu sehen. Unser Fahrer wartet in der Nähe. Wir sind in jedem Moment sicher; uns kann nichts passieren. - Aber Bahdi weiß das nicht. Er macht sich Sorgen. Im Geiste sieht er mich wohl orientierungslos durch den Sandsturm irren. Er setzt sich in seinen Toyota und sucht mich. Uta, ein Dauergast in seinem Camp, begleitet ihn. Als ich um 17.30 Uhr wieder zurückkomme, erwarten mich ernste Gesichter.

Sie geben ihm per Handy Bescheid, dass ich wieder da bin. Er ist immer noch unterwegs, auf der Suche nach mir, schon seit eineinhalb Stunden. Eine viertel Stunde später klopft es. Uta. Ja, ich sehe es ein und es tut mir leid, dass ich Aufregung verursacht habe. Ich bin hier nicht in der Großstadt, hier gelten andere Regeln. Wenig später klopft es noch mal. Bahdi. Diese Augen. Kein Vorwurf. Er ist einfach nur froh, mich gesund und unbeschadet zu sehen. Was für ein Mann.

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