Mittwoch, 16. Januar 2008

Niemals ohne meinen Reiseführer

Doch, man lernt im Laufe der Zeit dazu, auch wenn es einem manchmal nicht so vorkommt. Man wird souveräner. Wenn ich z. B. an meine ersten großen Reisen denke, dann sehe ich den Unterschied. Anfang der 1980er-Jahre reiste ich das erste Mal nach Südostasien: Thailand, Sumatra, Java, Bali, Malaysia, Burma. Die Reiseführer von Stefan Loose waren damals das Nonplusultra für Leute wie mich. Beinahe jeder deutschsprachige Rucksacktourist hatte sie im Gepäck, und oft genug traf man Leute, die quasi ständig einen in der Hand mit sich herumtrugen. Ich glaube, ich gehörte auch zu ihnen. Ich fuhr nirgendwo hin, wenn Stefan Loose nicht vorher über den Ort geschrieben hatte. Hotels kamen sowieso nur dann in Frage, wenn Loose sie empfahl. Und wie sauer war ich – und die anderen – wenn Details nicht stimmten: eine Entfernung, der Zimmerpreis etc. Auch wenn etwa eine von Loose erwähnte ganz spezielle Kneipe in Chiang Mai so speziell nicht mehr war, weil mittlerweile alle Loose-Touristen dort hingingen, konnte mir das den Abend verderben.

Reiseführer im Regal

Heute, einige zig Reisen später, reise ich anders. Zwar bin ich immer noch mit dem Rucksack unterwegs und ich habe immer noch Reiseführer im Gepäck. Nicht mehr die von Loose; heute ist der Geschmack auch in punkto Reiseliteratur international. Aber ich kann zur Not auch ohne. Nehmen wir etwa Nicaragua. 'Linda Nicaragua', das schöne Nicaragua. Es war ursprünglich nicht auf meiner mentalen Liste der Länder, die ich in Mittelamerika besuchen wollte. Die Lust, dieses Land kennen zu lernen, kam erst im Laufe der Reise, sie entstand durch die Erzählungen anderer, die ich unterwegs traf. Ich fuhr spontan dort hin. Habe ich den Entschluss, ein Land, einen Ort, eine Gegend zu besuchen, erst einmal gefasst, hilft es, alle um mich herum wissen zu lassen, wohin ich als nächstes fahren will. Da die Welt voller hilfsbereiter Menschen ist, werde ich dann meist in den richtigen Bus, respektive Zug, respektive Boot etc. gesetzt oder aber ich bekomme zumindest Infos, die mich den Weg selbst finden lassen. Und wenn die Information nicht stimmt, was spielt das schon für eine Rolle? Dann verpasse ich eben den Bus, fahre einen Umweg oder steige falsch aus. Na und? Dann warte ich ein bisschen, beobachte das Dorfleben oder das Gewusel auf dem Busbahnhof. Manchmal komme ich dabei mit anderen, die ebenfalls warten, ins Gespräch. Vielleicht geschieht dabei etwas Neues, Unerwartetes. Und wenn nicht? Wenn es dort, wo ich hängen bleibe, einfach nur öde, stressig, heiß, staubig, kalt oder dreckig ist? Dann sagt die Erfahrung: Jede Situation, und sei sie auch noch so unangenehm, geht einmal vorbei. Und Situationen, die man nicht ändern kann, muss man eben aussitzen. Ich bin gelassener geworden im Laufe der Zeit. Allerdings ist diese Gelassenheit nicht alleine einem Zuwachs an geistiger Reife geschuldet. Nein, natürlich mache ich mir, wo ich auch bin, die modernen Kommunikationsmedien zunutze. Internetcafés gibt es mittlerweile an jeder Ecke, sogar in der marokkanischen Wüste und im nicaraguanischen Dschungel. Und Google sei Dank muss ich nie lange nach der benötigten Information suchen. Geldangelegenheiten regeln, Flüge buchen, Hotels suchen, Touren reservieren, mit den Lieben daheim telefonieren oder mailen – alles lässt sich online regeln. Auch das macht gelassen, es macht souverän.
Ich reise nach wie vor gerne. Es gibt nur einen wesentlichen Unterschied für mich: Heute ist alles einfacher als früher.

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